Fünftes Buch für meine Recherche: „In der Fremdenlegion“
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“In der Fremdenlegion” von Erwin Rosen (Rezension)
Erwin Rosen war ein echter Filou. Geboren wurde er als Erwin Carlé 1876 in Karlsruhe. 1892 flog er wegen „Unbotmäßigkeit“ von der Schule, kam ins Internat und sorgte auch dort für einigen Ärger. Den Eltern fiel 1894 nichts Besseres mehr ein, als ihren 19-Jährigen aufmüpfigen Sohn aufs nächste Schiff nach Amerika zu setzen. Dort sollte er sich bewähren, ganz allein und mit sehr wenig Geld.
Bild oben: StockSnap auf Pixabay
Amerika wurde zum Eldorado der Abenteuer
Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten wurde für den jungen Erwin zum Eldorado der Abenteuer. Er verdingte sich als Apothekergehilfe, Baumwollpflücker, Eisenbahntramp Kesselputzer, Dolmetscher, Fischpökler … Was auch immer ihm grad in die Quere kam. Im Herzen jedoch wollte er immer Schriftsteller und Journalist sein, darum brachte er seine Erlebnisse allesamt zu Papier und daraus entstand das amüsante Buch „Der deutsche Lausbub in Amerika“, das er unter dem Pseudonym Erwin Rosen veröffentlichte. Ein wirklich lesenswertes Stück Zeitgeschichte, mit einer großen Portion Humor verfasst, das aber auch seine Spannungsfelder und Tiefen hat.
Heimkehr nach Deutschland – und die große Liebe
Mir geht es hier allerdings um ein anderes Buch dieses verrückten Lebenskünstlers, es trägt den Titel „In der Fremdenlegion“ – und dieses Werk ist sehr viel ernster. Der gute Erwin hatte sich schon in Amerika einmal freiwillig beim Militär gemeldet und am Spanisch-Amerikanischen Krieg auf Kuba teilgenommen. Er kehrte unverletzt, aber mit einer schweren Gelbfiebererkrankung zurück, die er überstand. Über London schaffte er es schließlich etwa 1903 in seine deutsche Heimat. Und dort ereilte ihn die Liebe.
Schuldenberge – und ein Tritt zur Tür von der Geliebten
Doch der junge Kerl blieb leichtsinnig wie und je, verstrickte sich in Schulden und bekam von seiner Geliebten einen Tritt zur Tür hinaus. Sie könne nicht mehr an ihn glauben, sagte sie ihm. Das versetzte ihn in derartige Verzweiflung, dass er sich 1905 auf direktem Weg ins elsässische Belford begab, um sich zur Fremdenlegion zu melden. Vielleicht hatte er sich diese Aktion als besonders romantisch vorgestellt, doch er schlug bitterhart in der Realität auf. In Sidi bel Abbès in Algerien bekam er das bitterharte Leben eines Fremdenlegionärs zu spüren, er wurde zu einer fast rechtlosen Person, die einfach irgendwo in Afrika verschwinden konnte. Zuhause wusste niemand, wo er steckte.
Erwin lernte, wie man auf keinen Fall abhauen sollte …
Erwin Rosen öffnet mit seinem Buch „In der Fremdenlegion“ ein Fenster in eine andere Welt, in der ein Menschenleben wenig gilt und von einem Recht auf körperlicher Unversehrtheit keine Rede sein kann. Wo Männer für härteste Schikanen nur ein paar Centimes bekommen, die sie anschließend allzu oft versaufen. Wer aus dieser Hölle weglief, wurde meist nach kurzer Zeit gefangen und knallhart bestraft. Erwin lernte viel von diesen Gescheiterten, nämlich wie man es auf keinen Fall versuchen sollte. Als er nach zweieinhalb langen Jahren in Algerien einen Brief von seiner alten Liebe erhielt, die ihn irgendwie im Nirgendwo aufgestöbert hatte, erwachte der Legionär zu neuem Leben.
„Da brachte eines glutheißen Tages die algerische Militärpost einen Brief auch für mich. Die Liebe hatte mich gefunden. Ich las und las und las wieder … In dieser Stunde erwachte das gestorbene Glück zu größerem und tieferem und gewaltigerem Sein.“
… und haute dann richtig ab
Kurze Zeit später erreichte ihn eine Geldsendung seiner Mutter – und Erwin machte sich auf den Weg nach Hause. Dabei riskierte er ohne Frage sein Leben, aber er stellte sich schlau an, schaffte es nach Marseille und landete schließlich in Innsbruck. Tatsächlich hat der Filou seine große Liebe zurückerobert und war bis zu seinem relativ frühen Tod mit 46 Jahren mit ihr verheiratet. Einen Fuß auf französischen Boden setzte er nie wieder, denn dort stand er für alle Zeit auf der roten Liste.
Mein Roman „Herz und Hände“ spielt ungefähr 40 Jahre früher, ebenfalls in Algerien, und auch die Fremdenlegion kommt darin vor. Damals war die Truppe eine ganz andere als heute, aber sehr ähnlich wie zu Erwins Rosens Zeiten: Geflüchtete, Einsame, Gescheiterte und vor allem Arme gehörten ihr an. Kein Hahn krähte nach ihnen, wenn sie irgendwo in Afrika spurlos verschwanden. Erwin beschwert sich in seinem Buch heftig darüber, wie sehr diese geschundenen Kerle ausgenutzt wurden, er blieb Zeit seines Lebens ein heftiger Gegner der Legion.
Eine starke Quelle für mich
Ich habe sehr, sehr viele Informationen aus Erwins Werk gezogen. Die Stadt Sidi bel Abbès beschreibt er höchst anschaulich, ebenso wie den rauen Ton in der Fremdenlegion, die Strafen, die langen Märsche und die bösartigen Ärzte, die eher Folterknechte als Heiler waren. Ein bisschen was davon konnte ich im ersten Roman verarbeiten: Eine Nebenfigur ist Krankenwärter der Legion, ein Belgier, der sich mit meinem Protagonisten befreundet. Doch ihn trifft ein hartes Los.
Damit ist diese Quelle noch nicht erschöpft. Ich arbeite schon am zweiten Teil von „Herz und Hände“, es wird eine Serie, die demnächst auch wieder die Fremdenlegion mit einbezieht. Genauso rau und erbarmungslos, wie sie früher war.
Und den Erwin Rosen, den hätte ich sehr gern persönlich kennengelernt …