Madentherapie: Wenn Fliegenmaden Wunden „gesundfressen“
Dominique Jean Larrey, Napoleons berühmter Feldarzt, war ein hervorragender Beobachter. Unter anderem fiel ihm auf, dass Verwundete, die sofort in sein Lazarett kamen, oft schneller starben als diejenigen, die länger auf dem Schlachtfeld liegen mussten. Wie konnte das sein, wo er doch alle Menschenmögliche für sie tat?
Er bewahrte die Soldaten zwar vor dem Verbluten, aber nicht vor der gefürchteten Blutvergiftung. Die trat eher im Lazarett als im Feld auf! „Draußen“ legten Schwärme von Fliegen ihre Eier in den Wunden ab, daraus schlüpften massenweise Fliegenmaden. Im Lazarett passierte das nicht. Konnte es damit zusammenhängen? Seine Überlegungen führten auf direktem Weg zu einer Behandlung, die haufenweise Leben rettete: der Madentherapie.
Foto oben: TheDigitalArtist
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ToggleFeldärzte nutzten als Erste Maden zur Wundheilung
Die Madentherapie geht nicht allein auf Larrey zurück, sondern auch auf andere Feldärzte, die allesamt dieselbe Erfahrung machten. Schnellere Wundheilung, weniger Fieber und vor allem weniger Tote: Das Ergebnis überzeugte! So sehr, dass diese Behandlung in der modernen Medizin Wiedereinzug hielt. Heute nutzt man sterile Larven der Spezies Lucilia sericata, also der Goldfliege. Sie tragen fleißig abgestorbenes Gewebe ab, präziser als mancher Chirurg.
Was machen die Maden in der Wunde?
Zur „Wundreinigung“ nutzen die netten, kleinen Tierchen ein Sekret mit proteolytischen Enzymen. Diese verflüssigen das tote Gewebe – und wirklich nur das! Gesundes Gewebe bleibt unversehrt bestehen. Innerhalb von fünf Tagen wachsen sie dabei von zwei bis drei Millimeter auf bis zu zehn Millimeter Länge.
Von Bakterien verursachte, schmierige Wundbeläge mitsamt ihrem strengen Geruch verschwinden, währen die Fliegenmaden fleißig gedeihen. Das Infektionsrisiko geht nebenher rasant zurück, sogar bei gefährlichen antibiotikaresistenten Keimen wie Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA). Denn diese erledigen die Maden gleich mit.
Maden zur Wundheilung an der John Hopkins Medical School
Die berühmte John Hopkins Medical School begann in den 1930ern, die chirurgische Behandlung mit Fliegenmaden zu propagieren. Nachdem die kleinen Helfershelfer sich in den vergangenen Kriegen – vom amerikanischen Sezessionskrieg bis hin zum 1. Weltkrieg – als überaus nützlich erwiesen hatten, stieg die Firma Lederle in die Großproduktion von Lucilia sericata ein. Der Siegeszug der Antibiotika beendete die Nachfrage vorerst – bis die moderne Welt neuen Bedarf anmeldete.
Wofür eignet sich die Madentherapie am besten?
Die Madentherapie eignet sich besonders für diabetische Wunden im Fußbereich sowie für Nekrosen bei gestörter Durchblutung. Auch Unterschenkelgeschwüre sind indiziert. Ist eine Wunde mit inneren Organen oder Körperhöhlen verbunden oder neigt sie leicht zu Blutungen, sollte man die Finger von den Maden lassen. Wie immer gilt: Bloß nicht selbst ausprobieren! Fragt besser einen fachkundigen Arzt.