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Medizingeschichte
Die Geschichte der Reanimation – dem Tod ein Schnippchen schlagen

Die Geschichte der Reanimation – dem Tod ein Schnippchen schlagen

Vom menschlichen Wunsch, Leben zu retten

Andere Menschen vor dem Tod zu retten, das scheint uns schon immer ein inneres Bedürfnis gewesen zu sein: Die Geschichte der Wiederbelebung, auch Reanimation genannt, reicht entsprechend weit zurück. Unsere modernen Wiederbelebungstechniken sind das Ergebnis jahrhundertelanger Entwicklungen – von primitiven Methoden bis hin zu unseren modernen Defibrillatoren. Das Herz im offenen Brustkorb massieren? Auch auf diese Idee sind Menschen gekommen. Aber tatsächlich mit Erfolg?

Was ist eine Reanimation?

Erleidet ein Mensch aufgrund diverser Ursachen einen Kreislauf- und Atemstillstand, ist oft eine Reanimation, auch Rea oder Wiederbelebung, möglich. Infrage kommen dafür zum Beispiel eine Herzdruckmassage und eine Mund-zu-Mund-Beatmung bzw. die Verwendung eines Defibrillators.

Die Reanimation funktioniert übrigens auch bei Tieren! (Und dafür muss man bestimmt kein Superman sein.)

Wiederbelebung in der Antike und im Mittelalter

Bereits in der Antike gab es Versuche, leblose Menschen zu reanimieren. Die alten Ägypter und Griechen glaubten, dass das Einblasen von Luft in den Mund oder die Nase eines Bewusstlosen den Atem wiederherstellen könnte. Doch einen Toten ohne Herzschlag wieder ins Leben zurückzurufen? Das schien unvorstellbar!

Im Mittelalter galt der Tod oft als endgültiges göttliches Urteil. Wiederbelebungsversuche waren selten oder wurden aus Angst vor Verfolgung nicht dokumentiert. Darüber nachgedacht haben die Menschen aber ganz bestimmt, wenn vor den eigenen Augen ein geliebter Mensch zu atmen aufhörte.

Die wissenschaftliche Revolution in der Renaissance

Mit der Renaissance und der kühner werdenden Wissenschaft änderte sich das Verständnis von Leben und Tod wieder. Der englische Arzt William Harvey entdeckte im 17. Jahrhundert den Blutkreislauf, was das Verständnis des menschlichen Körpers revolutionierte. Seine Entdeckung legte die Grundlage für spätere Reanimationstechniken, da klar wurde, wie wichtig der Blutfluss und die Sauerstoffversorgung für das Überleben sind.

Reanimation in der Aufklärung: erste Wiederbelebungstechniken

Im Zeitalter der Aufklärung, grob gesehen ab dem 18. Jahrhundert, verändert sich das Welt- und Menschenbild weiter. Die menschliche Vernunft begann die Religion abzulösen, die Wissenschaft befreite sich. Europäische Ärzte und Forscher begannen, systematische Techniken zur Wiederbelebung zu entwickeln.

Besonders erwähnenswert ist die Gründung der „Gesellschaft zur Rettung Ertrinkender“ 1767 in Amsterdam. Zu den frühen Techniken gehörten das Einblasen von Rauch, ausgerechnet ins Rektum, und mechanische Drucktechniken auf den Brustkorb, um den Atem wiederherzustellen.

Blutige Sache: die Massage am offenen Herzen

Im 19. Jahrhundert nahm die Entwicklung der Wiederbelebung stark an Fahrt auf. Ärzte probierten verschiedene Methoden aus, um bei eigentlich toten Patienten Atem und Herzschlag wiederherzustellen. In den 1880er Jahren versuchten Chirurgen bei Operationen, einen Herzstillstand durch direkte manuelle Kompression des Herzens zu behandeln. Im Klartext: Sie massierten am offenen Brustkorb das Herz mit ihren Händen.

Diese Methode war eine Vorstufe der heute bekannten geschlossenen Herzmassage und erwies sich in einigen Fällen als lebensrettend.

Notfallsituation: Reanimation am offenen Herzen

Der deutsche Chirurg Friedrich Maass beschrieb im Jahr 1898 erstmals die Herzmassage des offenen Herzens. Er öffnete den Brustkorb eines Patienten und massierte das Herz mit den Händen, um den Blutfluss im Körper wieder herzustellen. Diese Technik entwickelten andere Ärzte in den folgenden Jahrzehnten weiter. Sie wurde insbesondere bei Herzoperationen angewandt, die eine zeitweise Stilllegung des Herzens erforderten.

Während der frühen Phase der Herzchirurgie, als keine Herz-Lungen-Maschinen zur Verfügung standen, bot die manuelle Massage des Herzens die einzige Möglichkeit, den Blutkreislauf ohne ein selbständig schlagendes Herz aufrechtzuerhalten. Diese Methode wird auch heute noch in bestimmten Notfallsituationen, wie nach traumatischen Brustkorbverletzungen, eingesetzt, wenn eine externe Reanimation nicht ausreicht.

HERZ und HÄNDE: Historische Medizin »live« erleben

Meine historische Romanserie »HERZ und HÄNDE« beginnt mit einer offenen Herzmassage irgendwann in den 1860er Jahren. Die Story verbindet viele historische medizinische Szenen mit einem aufregenden Abenteuer, denn der Protagonist ist ein französischer Chirurg, der in die Armee und die afrikanischen Kolonien gezwungen wird. Dort mischt der rebellische Kerl alle Seiten kräftig auf.

Die moderne Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW)

Die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts brachten einen entscheidenden Fortschritt in der Geschichte der Reanimation.   Der amerikanische Arzt Peter Safar entwickelte 1956 die bis heute verwendete „Mund-zu-Mund-Beatmung“ als eine effektive Methode zur künstlichen Beatmung. 1960 fügten William Kouwenhoven, James Jude und Guy Knickerbocker dieser lebensrettenden Erste-Hilfe-Maßnahme die Thoraxkompressionen hinzu. Beides zusammen bildet den Kern der modernen Herz-Lungen-Wiederbelebung (HLW).

Die HLW-Technik, auch „ABC-Methode“ (Airway, Breathing, Circulation) genannt, verbreitete sich als weltweiter Standard und rettete bis jetzt Millionen Menschenleben.

Defibrillation und Automatisierung in der Reanimation

Einen weiteren Meilenstein bildete die Entwicklung der Defibrillation. Die 50er Jahre waren in dieser Hinsicht eine äußerst aktive Zeit, denn genau in diesem Jahrzehnt entdeckten Mediziner auch, dass ein elektrischer Schock lebensbedrohliche Herzrhythmen stoppen und den normalen Herzschlag wiederherstellen kann.

Mit der Einführung tragbarer Defibrillatoren und später automatischer externer Defibrillatoren (AEDs) in den 1980er Jahren wurde diese Technik auch für Laien zugänglich, was die Überlebenschancen bei Herzstillständen außerhalb von Krankenhäusern erheblich verbesserte.

Den Tod zu besiegen, bleibt für uns Menschen eine Illusion. Aber wir können ihn von Fall zu Fall weit hinauszögern. Weiter denn je.

Was ist ein Defibrillator?

Ein Defibrillator gibt Stromstöße ab und kann damit den Herzschlag regulieren. Bei Herzstillstand bringt das Gerät von außen angesetzt das Herz wieder zum Schlagen. Ein zu schnell schlagendes Herz lässt sich mit einem implantierten Mini-Defibrillator beruhigen. Auch Herzrhythmusstörungen sind damit behebbar.