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Medizingeschichte
Was ist Schlafmohn? Verwendung und Geschichte der „Pflanze der Freude“

Was ist Schlafmohn? Verwendung und Geschichte der „Pflanze der Freude“

Vor Tausenden von Jahren hat der erste Mensch den Saft des Schlafmohns probiert und eine Überraschung erlebt. Wer es war, werden wir nie erfahren. Bekannt ist jedoch, dass Schlafmohn schon vor 5.200 Jahren als Kulturpflanze diente, das belegen archäologische Funde. Somit gehört der Schlafmohn zu den ältesten von Menschen angebauten Pflanzen überhaupt. Die alten Sumerer nannten diese spezielle Mohnsorte „Pflanze der Freude“. Sie nutzten die Inhaltsstoffe für ihre religiösen Rituale ebenso wie zur Schmerzlinderung. Für Letzteres ist der Hauptinhaltsstoff, das Opium, auch noch in der modernen Medizin bekannt.

Die Wissenschaft ist sich einig, dass es einen wilden Vorläufer des heute kultivierten Schlafmohns gab. Doch welche Pflanze war das? Zur Diskussion stehen verschiedene Mohnsorten, doch der Borstenmohn aus dem westlichen Mittelmeerraum gilt als der wahrscheinliste Kandidat. Der genaue Ursprungsort ist unbekannt, die Forschung tendiert zum westlichen oder östlichen Mittelmeerraum. Die größte Artenvielfalt des Mohnsfindet sich in der östlichen Ägäis und im Iran.

Schlafmohn Anbau in Afghanistan

Was ist Schlafmohn?

Schlafmohn ist eine einjährige, krautig wachsende Pflanze aus der Familie der Mohngewächse (Papaveraceae). Er erreicht eine Höhe von 0,3 bis 1,5 Metern, die Stängel sind rund, aufrecht und nur selten verzweigt. Die Pfahlwurzel reicht bis tief in den Boden. Vier weiße bis violette Blütenblätter säumen die innenliegenden Staubblätter; in seltenen Fällen sind sie auch rot.

Violetter Schlafmohn

Wie wird aus Schlafmohn Opium?

Der botanische Name des Schlafmohns Papaver somniferum leitet sich vom lateinischen Wort „somnus“ für Schlaf ab. Der Milchsaft der Samenkapsel ist voller Alkaloide wie Morphin, Codein und Thebain: Darum wirkt der Genuss beruhigend und schmerzlindernd. Die kugelige Kapsel bildet sich nach der Blüte. Wer die unreife Kapsel anritzt, erhält den wertvollen, weißen Saft, der als Basis zur Opiumgewinnung dient.

Der Milchsaft oxidiert an der Luft und verfärbt sich dabei bräunlich. Nach einigen Stunden kratzt man den eintrockneten Saft und sammelt ihn ein. Die kleinen Stückchen sind bereits wirksames Rohopium. Daraus lassen sich spezifische Alkaloide isolieren, um bestimmte Präparate oder die Droge Heroin herzustellen.

Milchsaft aus Schlafmohnkapsel

Wie wurde Schlafmohn verwendet?

In vielen Kulturen kommt dem Schlafmohn seit alters her eine hohe Bedeutung zu. Die Menschen nutzten – und nutzen – die Pflanze zu folgenden Zwecken:

  • Medizinische Behandlung: Seit der Antike verwenden Heiler den Milchsaft des Schlafmohns zur Behandlung von Schmerzen, Schlaflosigkeit und Husten. Schon Hippokrates, der Vater der modernen Medizin, empfahl den guten Stoff als umfassendes Heilmittel.
  • Religiöse und spirituelle Zwecke: Schlafmohn spielte in vielerlei religiösen Ritualen eine wichtige Rolle, gewiss ist uns darüber nicht alles bekannt. Die alten Ägypter nutzten Opium jedenfalls als Opfergabe für Ihre Götter.
  • Entspannung: Der Opium-Genuss diente schon in alten Zeiten der Entspannung und Berauschung, und zwar in vielen Kulturen, vor allem aber in Europa und Asien.
Schlafmohn, alle Pflanzenteile

Die Herstellung moderner Arzneimitteln aus Schlafmohn

Im 19. Jahrhundert, zur Geburtsstunde der modernen Pharmazie, begannen Apotheker gezielt mit der Gewinnung von Morphin, Codein und Heroin aus dem Schlafmohn. Die Substanzen verwendeten sie zu Heilzwecken, insbesondere als Schmerzmittel, aber auch als Hustensaft für Kinder.

Das damals vielbeschworene „Heilmittel Laudanum“ enthielt neben viel Alkohol auch immer einen gewissem Anteil Opium. Dazu habe ich hier einen gesonderten Artikel geschrieben.

Heute sind die Nebenwirkungen mehr in den Vordergrund gerückt, vor allem das Suchtpotential ist viel zu hoch. Darum haben Staat und Medizin die Bremse gezogen, aus der „Allerweltsmedizin“ wurde ein streng reguliertes Arzneimittel.

Ist Schlafmohn heute verboten?

Die rechtliche Situation variiert von Land zu Land. In einigen Ländern ist der Anbau zu medizinischen Zwecken erlaubt, in anderen nur unter strengsten Auflagen. Teilweise besteht ein Komplettverbot. In Deutschland unterliegt der Anbau von Schlafmohn dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG), mit einer speziellen Genehmigung ist er erlaubt. Damit möchte der Gesetzgeber die das Missbrauchsrisiko eindämmen.

Moderne Medizin, Spritzen und Tabletten

Darum ist Schlafmohn / Opium gefährlich

  • Drogenmissbrauch: Die aus dem Schlafmohn gewonnenen Substanzen bergen ein hohes Suchtpotential. Heroin ist eine der gefährlichsten illegalen Drogen überhaupt, es wird aus Morphin synthetisiert.
  • Gesundheitsrisiken: Die gesundheitlichen Folgen des Opiumkonsums und seiner Derivate können schwerwiegend sein. Die gefürchtete Atemdepression ist nur eine davon, eine Überdosis führt oftmals zum Tod.
  • Kriminalität: Der illegale Opium- und Heroinhandel trägt zur Finanzierung der organisierten Kriminalität und des Terrorismus’ bei.

Was sind die Wirkungen und Nebenwirkungen von Schlafmohn?

Die Dosierung, die Art der isolierten Substanzen sowie die Art der Anwendung entscheiden darüber, was genau Schlafmohnprodukte mit unserem Körper machen. 

Das sind die Wirkungen:

  • Beruhigung: In niedriger Dosierung können die Mittel Angstzustände lindern und den Schlaf fördern.
  • Schmerzlinderung: Codein und Morphin sind hochwirksame Schmerzmittel, die heute z.B. bei stark einschränkenden chronischen Schmerzen und der Behandlung von Krebspatienten Anwendung finden.
  • Euphorie: Opium und Heroin lösen intensive Glücksgefühle und Entspannungszustände aus. Darum sind sie als Droge so beliebt.

So verlockend das alles auch klingt, es kommt immer auch die Gegenrechnung ins Spiel. Und die ist leider sehr beachtenswert.

Das sind die Nebenwirkungen:

  • Kurzfristig: Übelkeit, Verstopfung, Schwindel, und Benommenheit
  • Langfristig: Abhängigkeit, Toleranzentwicklung und schwerwiegende Organschäden
  • Bei Überdosis: Atemstillstand, Bewusstlosigkeit und Tod

Licht und Schatten einer wertvollen Heilpflanze

Wo viel Licht ist, da ist in der Medizin immer auch viel Schatten. So viel Segen der Schlafmohn auch der Menschheit brachte, Abhängigkeit und Tod folgten ihm leider oft auf den Fuß. Die Regulierung dient als Mittel, die Vorteile weiter zu genießen, ohne allzu große Gefahren einzugehen. So hat der Schlafmohn als Heilpflanze bis heute überlebt.

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